Mehr als Dankesreden und warmer Händedruck

Jede*r Leitende einer NPO weiss: Die Arbeitsleistung von Freiwilligen wird nicht mit Geld abgegolten, dennoch ist sie im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Würde sie in Cash entschädigt, könnten viele Organisationen kaum bestehen. Meist ist es das Anliegen der NPO selbst – sei es der Einsatz für Sport, Natur oder soziale Gerechtigkeit – das Menschen motiviert, sich einzubringen. Doch diese intrinsische Motivation allein reicht oft nicht aus, damit Freiwillige sich längerfristig engagieren.

Was also motiviert Menschen darüber hinaus dazu, unentgeltlich ihre Zeit, ihre Talente und ihre Leidenschaft in eine NPO zu investieren?

Die Antwort: Freiwillige erwarten einen Gegenwert, der nicht materieller Natur ist. Sie suchen nach Sinn, Zugehörigkeit, persönlicher Weiterentwicklung und dem Gefühl, einen Unterschied zu machen. Gerade jüngere Generationen sowie Zielgruppen wie Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund möchten mehr als nur «helfen». Sie wollen wachsen, Verantwortung übernehmen, sich vernetzen und erleben, dass ihre Arbeit Wirkung zeigt.

Die Herausforderung für NPO besteht darin, freiwilliges Engagement nicht nur zu erhalten, sondern aktiv auszubauen. Der «War for Talents» hat längst auch die Freiwilligenarbeit erreicht. Doch wie können Sie bestehende Freiwillige langfristig motivieren und gleichzeitig neue ansprechen?

Hier sind Ansätze, die sich unserer Erfahrung nach in der Praxis bewährt haben und Ihnen helfen können, Ihre Freiwilligenarbeit zukunftsfähig und attraktiv für eine vielfältige Zielgruppe zu gestalten:

1. Motivation verstehen: Warum engagieren sich Freiwillige?

Warum schenken Menschen einer Organisation ihre Zeit und Energie – ohne dafür Geld zu verlangen? Laut der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan liegt die Antwort in drei grundlegenden Bedürfnissen:

  • Autonomie: Das Gefühl, selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln zu können.
  • Kompetenz: Die Überzeugung, wirksam zu sein und eigene Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen.
  • Verbundenheit: Das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und bedeutsamen Beziehungen.

Diese Grundmotive variieren je nach Lebensrealität:

  • Junge Frauen möchten berufliche und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten nutzen.
  • Menschen mit Migrationshintergrund suchen nach Integration, Netzwerken und Zugehörigkeit.
  • Junge Generationen (Millennials, Generation Z) sehen Freiwilligenarbeit als Plattform, um Werte zu leben und beruflich relevante Kompetenzen zu erwerben.

Wenn diese Bedürfnisse in der Freiwilligenarbeit unerfüllt bleiben, schwindet die Motivation. 

Praxisimpuls:
Führen Sie regelmässige Gespräche mit Ihren Freiwilligen und fragen Sie:

  • Warum engagierst Du Dich bei uns?
  • Welche Fähigkeiten willst Du entwickeln?
  • Gibt es Hindernisse, die Dein Engagement erschweren?

Diese Gespräche schaffen Vertrauen und ermöglichen es Ihnen, gezielt auf die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Freiwilligen einzugehen.

2. Wer fehlt? Zielgruppen mit Potenzial

Formelle Freiwilligenarbeit – also in Vereinen, Verbänden oder anderen NPO – wird oft von denselben Gruppen erbracht. Doch Studien belegen, dass insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und jüngere Generationen bisher untervertreten sind – obwohl sie grosses Potenzial mitbringen.

Frauen: Flexibilität und Sinn

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung belegt, dass Frauen häufiger in informellen Kontexten aktiv sind, aber in formellen Strukturen unterrepräsentiert bleiben. Gründe: starre Strukturen und fehlende Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen. Frauen suchen nach flexiblen Aufgaben, die Sinn stiften und Raum für persönliche Entwicklung bieten.

Menschen mit Migrationshintergrund: Barrieren abbauen

Die Studie «Der Beitrag von Personen mit Migrationshintergrund zur Freiwilligenarbeit» zeigt, dass Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und mangelnde Netzwerke oft Hindernisse darstellen, sich zu engagieren. Doch gerade diese Zielgruppe ist häufig hochmotiviert, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Junge Menschen: Werte und Karriere verbinden

Millennials und die Generation Z erwarten von ihrem Engagement Flexibilität, digitale Unterstützung und die Möglichkeit, Kompetenzen zu entwickeln, die auch beruflich relevant sind.

Praxisimpuls:
Entwickeln Sie gezielte Programme, um bislang unterrepräsentierte Gruppen anzusprechen:

  • Karrieresprungbrett: Bieten Sie Engagements an, die es jungen Menschen ermöglichen, wertvolle Erfahrungen für ihren beruflichen Werdegang zu sammeln.
  • Interkulturelle Austauschformate: Schaffen Sie in ihrer Organisation Plattformen für Integration und Vernetzung.
  • Flexible Projekte: Gestalten Sie Aufgaben zeitlich begrenzt und projektbasiert.

3. Gegenwert schaffen: Lernen, Verantwortung, Netzwerke

Wer sich engagiert, möchte etwas zurückbekommen – und das nicht nur in Form von Dankbarkeit. Dieser Gegenwert liegt in der Möglichkeit, zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und wertvolle Kontakte zu knüpfen.

Kompetenzen fördern

Freiwilligenarbeit ist eine ideale Plattform, um neue Fähigkeiten zu erlernen und bestehende zu stärken.

  • Führungsverantwortung übertragen: Lassen Sie Freiwillige Projekte eigenständig leiten, um Führungsqualitäten praktisch zu entwickeln.
  • Weiterbildungen anbieten: Organisieren Sie Workshops zu Themen wie Kommunikation, Teamführung oder Projektmanagement.

Beispiel:
Ein Kulturverein liess junge Freiwillige eigenständig ein Festival organisieren. Sie übernahmen Verantwortung für Budget, Durchführung und Öffentlichkeitsarbeit – eine wertvolle Erfahrung, die auch im Lebenslauf glänzt.

Netzwerke schaffen

Freiwilliges Engagement kann Türen öffnen – sowohl beruflich als auch privat.

  • Networking-Events: Veranstalten Sie Treffen, bei denen Freiwillige Kontakte zu potenziellen Arbeitgeber*innen oder Partnerorganisationen knüpfen können.
  • Digitale Plattformen: Nutzen Sie digitale Plattformen wie LinkedIn, um Engagement sichtbar zu machen und Freiwilligen die Möglichkeit zu geben, Ihre Arbeit professionell darzustellen.

Selbstwirksamkeit stärken

Freiwillige möchten erleben, dass ihre Arbeit Wirkung zeigt. Indem Sie ihnen die Möglichkeit geben, eigene Ideen umzusetzen oder sichtbare Ergebnisse zu erzielen, fördern Sie ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit. Dies ist ein entscheidender Faktor, um Engagement langfristig zu sichern.

Praxisimpuls:
Bieten Sie Freiwilligen personalisierte Nachweise oder Zertifikate, die ihre Entwicklung dokumentieren. Besonders junge Menschen nutzen diese als Referenzen.

4. Barrieren abbauen: Für echte Teilhabe sorgen

Unnötige Hindernisse schrecken potenzielle Freiwillige ab. Diese Hindernisse können kulturell, sprachlich oder organisatorisch sein.

  • Kulturelle Sensibilität stärken: Schulen Sie Ihr Team im Umgang mit Diversität, um ein inklusives Umfeld zu schaffen.
  • Sprachliche Unterstützung bieten: Bieten Sie Materialien in mehreren Sprachen an oder organisieren Sie Sprachtandems für Freiwillige mit Migrationshintergrund.
  • Flexibilität fördern: Gestalten Sie Engagements so flexibel, dass sie sich an die Lebensrealität von Eltern, Berufstätigen oder Studierenden anpassen.

Praxisimpuls:
Implementieren Sie ein Patenschaftsprogramm, bei dem erfahrene Freiwillige neue begleiten und ihnen den Einstieg erleichtern.

Sind Sie an unseren Praxiserfahrungen interessiert?

In unserem Blog teilen wir in regelmässigen Abständen unsere Erfahrungen aus Kundenprojekten.

5. Motivation durch Innovation: Kreative Wege gehen

Motivation lebt von Abwechslung, Spass und der Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. Gerade jüngere Freiwillige erwarten flexible, moderne und manchmal auch unkonventionelle Ansätze. Innovative Ideen wie Gamification, digitale Tools oder neue Formen der Wertschätzung können das Engagement bereichern und nachhaltiger machen. 

Gamification einsetzen

Gamification – also die Integration spielerischer Elemente – steigern die Attraktivität der Freiwilligenarbeit:

  • Entwickeln Sie spielerische Herausforderungen, bei denen Teams gemeinsam Ziele erreichen, z. B. eine «Freiwilligen-Challenge», wer die meisten Spenden organisiert oder die besten Projektideen liefert.
  • Belohnen Sie Engagement mit Punkten, die für kleine Prämien eingelöst werden können.

Beispiel:
Ein Umweltverein führte eine «Cleanup-Challenge» ein, bei der Teams um die besten Ideen zur Müllvermeidung wetteiferten.

Praxisimpuls:
Starten Sie ein Belohnungssystem, bei dem Freiwillige für ihre Einsätze Punkte sammeln können, die sie gegen Anerkennungen wie Workshop-Gutscheine, Online-Kurse oder kleine Geschenke eintauschen können.

Digitale Tools nutzen

Die richtige Technologie kann die Organisation und Motivation von Freiwilligen erheblich erleichtern. Nicht nur jüngere Zielgruppen erwarten heute, dass Engagement durch digitale Hilfsmittel effizient unterstützt wird:

  • Nutzen Sie Apps oder Plattformen wie z.B. Slack, um Aufgaben und Projekte zu koordinieren.
  • Implementieren Sie eine Online-Plattform, auf der Freiwillige ihre Beiträge sichtbar machen können, z. B. eine Stunden- oder Aufgabenübersicht.
  • Fördern Sie digitale Meetings, die vor allem für beruflich eingebundene oder geografisch entfernte Freiwillige praktisch sind.

Beispiel:
Ein Kulturverein implementierte eine App, mit der Freiwillige ihre Einsatzzeiten planen, Feedback geben und sich über die neuesten Projekte informieren konnten. Dies führte zu einer besseren Koordination und einer höheren Zufriedenheit der Freiwilligen.

Praxisimpuls:
Erproben Sie digitale Tools, die die Planung und Kommunikation vereinfachen und auch für jüngere Zielgruppe attraktiv sind.

6. Anerkennung, die wirkt: Authentisch und spezifisch

Anerkennung ist essenziell – aber sie muss authentisch und spezifisch sein.

  • Individuell danken: Ein persönliches Gespräch oder eine handgeschriebene Karte bleiben oft länger in Erinnerung als allgemeine Worte.
  • Öffentlich würdigen: Nutzen Sie Social Media oder Veranstaltungen, um die Arbeit Ihrer Freiwilligen sichtbar zu machen.

Praxisimpuls:
Organisieren Sie ein jährliches «Engagement-Festival», bei dem Freiwillige gefeiert werden und öffentlich Anerkennung erhalten.

Fazit: Freiwilligenarbeit ist unentgeltlich, aber nicht ohne Gegenwert

Freiwilligenarbeit ist eine unbezahlbare Ressource – doch sie zu erschliessen ist kein Selbstläufer. Sie basiert auf einem klaren Austausch: Freiwillige schenken Zeit, Energie und Ideen – und erwarten im Gegenzug Sinn, Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten und attraktive Rahmenbedingungen für Ihr Engagement.

In einer Zeit, in der auch NPO im intensiven Wettbewerb um Talente stehen, ist es entscheidend, diesen Gegenwert sichtbar zu machen – vor allem auch bei bislang unterrepräsentierten Zielgruppen. Berücksichtigen Sie gezielt die Motive Ihrer Freiwilligen, schaffen Sie Räume für persönliche Entwicklung und gestalten Sie Engagement modern und inklusiv.

Denn wahre Motivation entsteht dort, wo Menschen nicht nur geben, sondern auch gewinnen – für sich selbst und für die Gesellschaft.

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